Mit dem Stadtspiel in die Frühe Neuzeit zwischen Krieg und Frieden

Werne – Mit dem „Theater für Alle“ ging es am vergangenen Wochenende auf eine spannende Zeitreise in die frühe Neuzeit so um 1622 und 1623. Vor der historischen Kulisse und dem nahezu ausverkauftem Kirchplatz wurde mit viel Liebe zum Detail gezeigt, wie es hier in Werne vor rund 400 Jahren abging. Wir haben hier ja echt gute Möglichkeiten die Geschichte der Stadt zu recherchieren. Aber wozu lang suchen, wenn man Zeitzeugen an der Hand hat. In seiner Ansprache erklärte Gottfried Forstmann: „Es ist alles so passiert. Und ich muss es wissen - denn ich bin der Einzige, der damals dabei war“.

Er und Marita Gräve führten, wie schon bei den bisherigen Stadtspielen, die Regie. Und bevor wir zu dem Stück kommen – ein kleiner Wermutstropfen: Das war das vierte und auch das letzte Stadtspiel unter der Leitung von Marita Gräve und Gottfried Forstmann. Das war zwar vorher schon bekannt, aber ihr kennt das ja – wenn es erst mal soweit ist, dann hat man doch eine Träne im Knopfloch.


Aber vorher ging es auf dem Kirchplatz noch einmal richtig zur Sache. Ich hätte ja fast geschrieben: Im Schatten der St. Christophorus Kirche … Aber das Wetter meinte es sehr gut und strahlte mit den Akteuren um die Wette. Das Publikum bekam zu sehen, wie der Alltag vor rund 400 Jahren aussah. Vom frommen Kirchengang über das rege Treiben auf dem Markt, bis hin zu den Regierungsgeschäften der Stadt und dem anschließenden Zechgelage im Wirtshaus. Der Zuschauer bekam einen sehr guten Einblick in diese Zeit. Man möchte fast meinen, dass sich gar nicht soo viel geändert hat. Ursprung der Geschichte war das 400. Jubiläum der Stadtprozession in diesem Jahr. Das Theaterstück erzählt, wie es zu dieser Tradition kam und was der tolle Christian von Braunschweig damit zu tun hatte.

 

Es waren wahrlich unruhige Zeiten, in denen sich Werne unter der Führung des Bürgermeisters (gespielt von Gottfried Forstmann) zwischen Krieg und Frieden befand. In dem Stück wurden sämtliche Versionen der Erzählung angerissen. Denn so ganz klar ist die Sache bis heute nicht, warum der ach so dolle Christian mit seinen Truppen an Werne vorbei geritten ist. Lag es am Nebel? Half der Kauf eines Schutzbriefes? Oder lag es dann doch an der rund 40-köpfigen Reitermannschaft, die aus Olfen zu Hilfe eilten? Fragen über Fragen. Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte ...

Laut dem Stadtspiel befanden sich Söldner der Braunschweiger Truppen bereits vor unserer Stadt. Witzig dabei ist, dass die Braunschweiger Söldner von echten Schalker Knappen gespielt wurden (Ludger und Jürgen Menke). Frei nach dem Motto: Schalke oder Braunschweig … Hauptsache zweite Bundesliga (zwinkerzwinker).

 

Der Bürgermeister hatte es aber auch nicht leicht – damals. Privat gab es wenig zu lachen … dafür sorgte schon sein angetrautes Eheweib (Sabine Ibrahim). Die zog den bürgermeisterlichen Ehegatten auch schon mal aus dem Wirtshaus … aber dieses Los hatten so ziemlich alle Männer in dieser Zeit … und teilweise auch heute noch^^


Ich würde gern noch viel mehr auf die Schauspielschar eingehen, da ja einige bekannte Gesichter dabei waren. Jedoch bei über 100 Darstellern würde dieser Artikel ja nie enden …

Aber zwei Personen möchte ich dennoch herausheben:

Der Sekretarius läuft gelegentlich ja auch heute noch bei den Stadtführungen in die historisch wichtigsten Ecken der Stadt und wurde daher passender Weise von Heidelore Fertig-Möller gespielt.

 

Pfarrdechant Jürgen Schäfer kennt sich in der Rolle von Gottes Bodenpersonal ja bestens aus und gab daher gekonnt den Probst. 



Unruhige Zeiten – Werne zwischen Krieg und Frieden“ überzeugte neben den hervorragend ausgewählten Darstellern mit einer Liebe zum Detail, das dem Zuschauer gleichzeitig zwei Geschichtsstunden auf teilweise sehr humorvollen Art und Weise verpasste. Das kommt natürlich nicht von ungefähr …

Fast drei Jahrzehnte lang inszenierten Gräve und Forstmann in der Freilichtbühne Werne, die ebenfalls tatkräftig beim Stadtspiel auf – und hinter der Bühne tätig waren.

Für die Mitglieder der Freilichtbühne ist das ja ein altbekanntes Terrain. Aber gut ein fünftel der Darsteller waren vorher absolute Anfänger auf diesem Gebiet. Und die intensiven Proben über Monate haben sich gelohnt!

Besonders die letzten Monate hatten es in sich: Die Proben-Taktung wurde erhöht, an den Kostümen und Kulissen wurde bis zum letzten Tag gefeilt … Texte für die knapp 50 Sprachrollen wurden hier und da noch ein wenig geändert und so weiter und so weiter.

Es war ein Kraftakt, Unruhige Zeiten – Werne zwischen Krieg und Frieden auf die Bühne zu bringen! Aber wie gesagt: Es hat sich gelohnt! An beiden Tagen ausverkaufte „Hütte“, von Darstellern bis zur Technik hat alles geklappt, das Wetter war Top … für ein paar Zuschauer am Sonntag evtl. ne Spur zu warm …

Aber alles in allem eine Hervorragende Inszenierung, die am Ende mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen honoriert wurden.

Auch der „echte“ Bürgermeister, Lothar Christ war voll des Lobes und richtete nach einer kurzen Prozession zum Abschluss des Stückes ein paar Worte des Dankes an das Theater für alle.

 

Ich hoffe nun nur noch, dass z.B. Bergkamen die kleinen Seitenhiebe (mit einem dicken Augenzwinkern) verzeiht. Wir haben schon genug unnötige Gräben auf dieser Welt!

Das vierte und damit letzte Stadtspiel unter der Regie von Gräve/Forstmann war feinste Theaterunterhaltung mit ein wenig Geschichtsunterricht, wovon wir noch lange zehren können – und wohl müssen. Denn ob das Stadtspiel fortgeführt wird, steht in den Sternen.

Die Aufführung hat gezeigt, was man mit vereinten Kräften und zahlungswilligen Sponsoren erreichen kann. Denn ohne die Sponsoren wäre dieses Stadtspiel gar nicht zustande gekommen. Sowas kostet immer Zeit, Schweiß und Geld!

Aber der Aufwand war jeden Cent wert!

 

 

Und was wäre ein Zippelmütz-Artikel ohne dazugehörige Bildergalerie?! Der Verkehrsverein hat meine Fotos bereits, und ich hab hier noch eine „kleine“ Bildergalerie auf Youtube für euch – als kleines Andenken. Viel Spaß